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Startseite Von Pfingsten bis Kreuzerhöhung Neujahr, Neues Jahr – bürgerlich und kirchlich

Kathedrale der Hll. Neumärtyrer und Bekenner Russlands in München

der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland

Neujahr, Neues Jahr – bürgerlich und kirchlich

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Troparion, Ton 2:
Der gesamten Schöpfung mitwirkend Helfender, der Du die Zeiten und die Jahre in Deiner Macht hältst, segne den Kranz des Jahres Deiner Güte, Herr, bewahre Dein Volk und Deine Stadt in Frieden, durch die Gebete der Gottesgebärerin, und errette uns.
Kontakion, Ton 2:
Der Du in den Höchsten lebst, Christus König, Schöpfer und Erbauer aller sichtbaren und unsichtbaren Wesen, der Du die Tage und die Nächte, die Zeiten und Jahre geschaffen hast, segne jetzt den Kranz des Jahres: bewahre und behüte in Frieden Deine Stadt und Dein Volk, Allbarmherziger.

Das Bittgebet und die Segnung zum Neujahrstag findet in unserer Kathedralkirche am 31.12.2023 um 19:00 Uhr statt. Der Gottesdienst dauert mit der Predigt von Erzbischof Mark knapp eine Stunde.

Da das Leben der Russen nach wie vor eng mit dem kirchlichen Kalender verbunden ist, sprechen sie vom "Neujahr" und dem "alten Neuen Jahr". die Bezeichnung mag absurd klingen ... Dieses "alte Neue Jahr" folgt auf Weihnachten, befindet sich außerhalb der weihnachtlichen Fastenzeit und ist stets ein Festtag in der Kirche: Beschneidung des Herrn und der Tag des heiligen Basilios des Großen. Hier geht es also zunächst um den 1. Januar nach gregorianischem Kalender (dem bürgerlichen Kalender) und dem 13 Tage später folgenden 1. Januar des julianischen Kalenders: 14. Januar im Gregorianischen.

Aber das kirchliche Jahr, das Heilige Jahr beginnt ohnehin mit dem 1. September, sprich: dem ersten Tag des siebten Monats – denn "septem" kommt von "sieben", so wie "octo" = "acht" sich im Namen Oktober, entsprechend die "neun" im Namen November wiederfindet ...  und wollten wir Dezember als mit der zwölf verbunden interpretieren, dann würden wir ja sogar das Dezimalsystem aushebeln! Wer wollte sich das heute erlauben? Und doch hält man heute den Dezember für den zwölften Monat und schreibt die 12, ohne rot zu werden.

Nun stimmt in Bayern die Welt noch an einigen Stellen, so beginnt das Schuljahr in Bayern ziemlich regelmäßig zum 14. September, was nach russisch-orthodoxem Kalender eben der 1. September ist: Beginn des heiligen Jahres. Warum diese 13 Tage? Geht die Uhr nach? Der gregorianische Kalender ist nicht etwa wie die moderne Sommerzeit nur eine Stunde vorgestellt, sondern – gegenüber dem Julianischen – ganze 13 Tage (ursprünglich waren es nur zehn, aber in vier Jahrhunderten sind drei Tage dazu gekommen, die man entsprechend abziehen muss, um zum kirchlichen Datum zu gelangen). So feiern die Russen das Weihnachtsfest keineswegs am 6. und 7. Januar, wie es manche meinen, sondern nach kirchlichem Kalender ist dann gerade der 24. und 25. Dezember. Hat man es genau verstanden, dann steht die Frage im Raum, weshalb in Deutschland generell Weihnachten am 11. und 12. Dezember gefeiert wird ... Schwierig? Aber nicht unlogisch. Und zwar nicht nur im Hinblick auf das Fest der Geburt Christi, sondern auch im Hinblick auf das Fest der Geburt der Gottesmutter Maria.

Wenn nämlich der Kreis der ersten Woche des ersten heiligen Monats September vorüber ist (1. - 7. September), dann feiert die Kirche die Vollendung dieses Kranzes am achten Tag, der mit dem ersten Anfang sich vereint – das Fest der Geburt der Gottesmutter. Nach dem gewohnten bürgerlichen Kalender natürlich wäre (ist) das der 21. September. Nur hat die Zahl 21 hier, selbst wenn man sie als drei Mal sieben aufschlüsseln könnte, keinerlei symbolischen Wert. Es ist vielmehr die acht, die zählt! So beginnt die Schöpfungsgeschichte mit dem ersten Tag und der siebte Tag bestimmt die heilige Sabbatruhe. Die hat unser Herr Jesus Christus im Grabe liegend vollendet. Der Sonntag ist der erste Tag der Woche: Es ist am ersten Tag, so auch in den Evangelien, dass er vor Sonnenaufgang auferstanden ist und die Frauen das leere Grab bestaunen ... Neuschöpfung eben! Wie am ersten Schöpfungstag, nur dazu noch in der Vollendung der Ewigkeit (die liegende acht "∞" als das Zeichen für "unendlich" auf dem Objektiv des Fotoapparats – aber heutzutage hat jeder eine Automatik, deshalb für den heutigen Zeitgenossen zwar noch schwieriger, aber keineswegs unlogisch.)

Nächster Schritt:

Wenn Dezember der zehnte, und der September der siebte Monat ist, muss ja logischerweise auf den zehnten Monat (Dezem) der elfte und zwölfte folgen. Dann ist der 1. März der Beginn des bürgerlichen Jahres. Ja, so war es einmal. Holla! jetzt haben wir ganze vier Neujahrstage produziert. Aber das macht nichts. Als unser Herr Jesus Christus durch das Heilige Land zog, gab es mindestens vier Kalender. Damals waren die Menschen eben modern genug, um sich in diesen vier Kalendern zurechtzufinden. In diesem Zusammenhang löst sich auch die Frage, weshalb Christus sein Osterfest am Donnerstagabend feierte und das Abendmahl einsetzte, während das offizielle Osterfest im Tempel am Abend zum Samstag hin begann (weshalb die Leichname am Freitag Abend eilends von den Kreuzen herabgenommen werden mussten).

Im alten Russland begann das bürgerliche Jahr tatsächlich am 1. März, und das kirchliche am 1. September. Das spiegelt sich dort auch heute noch im Schulbeginn. Im Jahre 1492 n. Chr., welches (plus 5508) einst als das Jahr 7000 von Beginn der Schöpfung galt, wurde offiziell der 1. September zum Beginn des bürgerlichen Jahres erklärt, das bürgerliche Jahr also mit dem kirchlichen verbunden. Im Verlauf von zwei Jahrhunderten feierte der russische Staat Neujahr am 1. September. Zar Peter I. entschied, die Jahreszählung der europäischen anzupassen, und so wurde der 1. Januar 1700 zum Neujahr. Das Jahr 1699 war in Russland das kürzeste dass man je hatte! – Es dauerte eben nur vier Monate, vom September bis zum Dezember inklusive.

Nach dem Oktoberumsturz erließ die Regierung der Bolschewiki ein "Dekret über die Zeit". Es ist ein wundersam Ding für jeden Menschen über die Zeit frei zu verfügen! Und deshalb wurde acht Jahrzehnte lang die Oktoberrevolution eben im November gefeiert, genauer: am 7. November. Alles hat seine Logik. Die Kirche wurde brutal verfolgt und das Blut der Neumärtyrer floss in Strömen. Dem Patriarchen Tichon wurde der neue Kalender aufgezwungen, und er gab zunächst nach. Aber das gläubige Volk wies diese Änderung zurück, und der Patriarch Tichon schrieb im Oktober 1924 an die Machthaber, dass er sich nicht über den Willen des Volkes hinwegsetzen werde: "Wir hielten es für unsere pastorale Pflicht, die Stimme der Gläubigen zur Kenntnis zu nehmen, um dem Gewissen des Volkes nicht Gewalt anzutun".

Die Russische Kirche versteht es, mit mehreren Kalendern zu leben. Beten kann sie auch am gregorianischen Neujahr, warum auch nicht? Und wenn Neujahr – das neue Jahr, welches von den Kirchenverfolgern aufgezwungen wurde – am 1. Januar mit dem strengen Fasten zu verbinden ist, dann hat das wohl seinen Sinn. Und die Russen vergessen das auch "alte Neue Jahr" nicht, und feiern sie es gebührend – dann zu recht ohne Fasten.

 

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