20. Dezember - Hl. Ambrosius, Bischof von Mailand
"Wir haben ja einen guten, milden Herrn, der Allen gerne verzeihen will, der durch den Propheten dich gerufen hat mit den Worten: „Ich gedenke nicht", sagt der Herr; „du aber gedenke daran", mit anderen Worten: „Ich rufe die Sünden, welche ich dir verziehen habe, nicht in mein Gedächtniß zurück; du aber gedenke daran. Ich denke ihrer nicht um der Gnade willen, die ich dir verliehen; du aber denke daran um der Besserung willen, damit du dir bewußt bleibst, daß die Sünde dir nachgelassen ist; damit du dich nicht rühmest, als seiest du unschuldig, damit du, indem du dich selbst rechtfertigst, dich nicht ärger belastest. Willst du gerechtfertigt sein, dann bekenne vielmehr deine Missethat. Das Band der Verbrechen wird durch schamerfülltes Bekenntniß gelöst."
Ein anderes Wort sagt: „Wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm."(Joh. 3,36). Was nun bleibt, das hat doch sicher irgendwo angefangen, und zwar hier bei der Sünde, vorher nicht geglaubt zu haben. Sobald nun Jemand glaubt, weicht der Zorn Gottes und das Leben kehrt zurück. An Christus glauben, ist also Gewinn des Lebens: denn wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.
Hier bemerken die Gegner, daß derjenige, welcher an Christus glaube, auch sein Wort bewahren müsse nach dem Ausspruche des Herrn: „Ich bin als das Licht in die Welt gekommen, damit Jeder, der an mich glaubt, nicht in der Finsterniß bleibe; wenn aber Jemand meine Worte hört und sie bewahrt, den werde ich nicht richten."(Joh. 12, 47). Er richtet also nicht, und du willst richten. Er sagt: „Damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsterniß bleibt", d.h. damit er, wenn er in der Finsterniß war, nicht in ihr bleibe, sondern seinen Fehler bessere, seine Schuld gutmache und meine Gebote darnach beachte. Ich habe ja gesagt: „Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern seine Bekehrung;" und ferner: „Wer an mich glaubt, der wird nicht gerichtet." Ich halte fest an meinem Worte: „Ich bin nicht in die Welt gekommen als ihr Richter, sondern daß die Welt durch mich selig werde." Ich verzeihe gerne, bereitwillig erweise ich mein Erbarmen; ich will ja lieber Barmherzigkeit, als Brandopfer. Durch das Opfer empfiehlt sich der Gerechte; aber durch die Barmherzigkeit wird der Sünder gewonnen; „ich bin ja gekommen, nicht die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder." Im Gesetze galt das Opfer, im Evangelium gilt Barmherzigkeit; das Gesetz ist durch Moses gegeben, durch mich aber ist die Gnade vermittelt. Kann es nun etwas Deutlicheres geben, als diese Worte? (I Buch, Kap. 12)
Der Herr fährt fort: „Wer mich verachtet und meine Worte nicht annimmt, der hat seinen Richter." Scheint dir denn nun, daß derjenige die Worte Christi annimmt, der sich nicht bekehrt? Sicherlich scheint es dir nicht so. Aber wer sich bekehrt, der nimmt das Wort des Herrn an; jenes Wort, nach welchem „ein Jeglicher sich abwenden soll von seiner Schuld." Entweder mußt du diesen Ausspruch des Herrn aus seinen Worten tilgen, oder wenn du ihn nicht leugnen kannst, mußt du dich dabei beruhigen.
Darnach muß also doch auch derjenige wohl die Gebote des Herrn beobachten, der zu sündigen aufhört, der von seinen Vergehungen abläßt. Du darfst somit den Ausspruch Christi nicht so auslegen, als babe er gesagt: „Wer mein Wort allezeit beobachtet hat." Hätte der Herr das sagen wollen, so hätte er auch das Wort „allezeit" hinzugesetzt. Da er das nicht gethan hat, so hat er von dem gesprochen, welcher das, was er gehört hat, auch befolgt. Nun hat dieser gehört, daß er seinen Fehler bessern solle; indem er das that, hat er befolgt, was er gehört hat.
Wie hart es aber sei, Jemanden zur ständigen (aussichtslosen) Bußübung zu verpflichten, der doch nachher die Gebote des Herrn beachtet, davon mag dich derjenige überzeugen, der selbst den Uebertretern seiner Gebote die Verzeihung nicht verweigert hat. So spricht er: „Wenn sie meine Satzungen entheiligen und meine Gebote nicht halten: so werde ich heimsuchen mit der Ruthe ihre Missethaten und mit Schlägen ihre Sünden; doch meine Barmherzigkeit will ich nicht von ihnen hinwegnehmen." ( Ps. 88,32). Allen verspricht er also Erbarmung.
Damit diese Erbarmung aber nicht als ohne Unheil und Recht erscheine, so ist ein Unterschied gemacht zwischen denjenigen, welche unausgesetzt den himmlischen Geboten sich gehorsam gezeigt haben und denjenigen, welche zeitweilig, von Irrthum verführt oder durch Zwang veranlaßt, zum Falle gebracht sind. Um dem Vorwurfe, als solle die eigene Beweisführung hier überreden, zu entgehen, möge das Urtheil des Herrn selbst entscheiden. „Jener Knecht", sagt er, „der den Willen seines Herrn gekannt und doch nicht gethan hat, was er wollte, wird viele Streiche bekommen; der ihn aber nicht gekannt, wird weniger bekommen." (Luk. 12,47). Beide werden, wenn sie glauben, aufgenommen nach dem Wort des Apostels: „Wen der Herr lieb hat. den züchtigt er; er schlägt jedes Kind, das er aufnimmt."(Hebr. 12,6). Den er züchtigt, den übergibt er dem Tode nicht, wie geschrieben steht: „Hart gezüchtigt hat mich der Herr, aber dem Tode nicht übergeben." (Ps. 117,18). (I Buch, Kap. 12)
Uebrigens könnte ich demjenigen, der die Worte des Apostels von der Buße versteht, auch antworten, daß das, was bei den Menschen unmöglich, doch möglich ist bei Gott. Der Herr kann, wenn er will, die Sünden nachlassen auch da, wo uns die Nachlassung unmöglich scheinen möchte. Schien es doch auch unmöglich, daß das Wasser die Sünde abwaschen könnte, und ebenso glaubte auch Naaman der Syrer nicht, daß sein Aussatz durch das Wasser könnte hinweggenommen werden. Was aber in der That unmöglich war, das hat Gott, der uns so wunderbare Gnade verliehen, möglich gemacht. So schien es denn auch unmöglich, daß in der Buße die Sünden nachgelassen würden. Christus aber verlieh den Aposteln diese Gewalt, die von ihnen auf das priesterliche Amt übergegangen ist. Was also unmöglich schien, ist möglich geworden. - Gleichwohl überzeugt uns die richtige, begründete Auslegung, daß der Apostel hier von der Taufe spricht, daß sie nämlich nicht wiederholt werden soll. (II Buch, Kap. 2)
Wollen nun die Anderen sich nicht bekehren, dann kehret ihr wenigstens um, die ihr in wiederholtem Falle von der erhabenen Höhe der Unschuld und des Glaubens herabgefallen seid. Wir haben ja einen guten, milden Herrn, der Allen gerne verzeihen will, der durch den Propheten dich gerufen hat mit den Worten: „Ich bin es, ich allein, der deine Missethaten tilgt; und deiner Sünden gedenke ich nicht; du aber sei eingedenk und wir wollen rechten mit einander." „Ich gedenke nicht", sagt der Herr; „du aber gedenke daran", mit anderen Worten: „Ich rufe die Sünden, welche ich dir verziehen habe, nicht in mein Gedächtniß zurück; mit Vergessenheit sind sie bedeckt; du aber gedenke daran. Ich denke ihrer nicht um der Gnade willen, die ich dir verliehen; du aber denke daran um der Besserung willen, damit du dir bewußt bleibst, daß die Sünde dir nachgelassen ist; damit du dich nicht rühmest, als seiest du unschuldig, damit du, indem du dich selbst rechtfertigst, dich nicht ärger belastest. Willst du gerechtfertigt sein, dann bekenne vielmehr deine Missethat. Das Band der Verbrechen wird durch schamerfülltes Bekenntniß gelöst." (II Buch, Kap. 6)
Fragmente aus "Über die Buße (De paenitentia)" -Ambrosius von Mailand († 397)