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Startseite Das Königtum Gottes Deine Trauer, die dich schmerzt, zu lindern

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Deine Trauer, die dich schmerzt, zu lindern

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(aus dem Ersten Brief des heiligen Johannes Chrysostomus)
1. Meiner Herrin, der ehrwürdigen und frommen Diakonissin Olympias, Gruß im Herrn von Johannes.

...Nun wohl, ich will es wieder einmal versuchen, deine Trauer, die dich schmerzt wie ein böses Geschwür, zu lindern und die Gedanken zu zerstreuen, aus denen sich dieses Gewölk in deiner Seele zusammenzieht. Was ist es denn, das deinen Sinn verwirrt?

...Welches Bild ich auch immer wählen mag, um die Drangsale unserer Zeit zu veranschaulichen, der Versuch muß mißlingen, und meine Schilderung wird von der schrecklichen Wirklichkeit überboten. Allein obgleich ich Das weiß, lasse ich keineswegs die Hoffnung auf eine glückliche Wendung fahren, indem ich des Steuermanns gedenke, der diese Welt regiert, der nicht durch Mittel der Kunst des Sturmes Meister wird, sondern durch einen Wink den Orkan beschwichtigt. Wenn er Das aber nicht von vornherein und nicht alsbald thut, nun, Das ist so seine Art. Nicht beim Beginne steuert er dem Unglück, sondern wenn es damit schlimmer geworden, wenn es zum Äussersten gekommen ist, und wenn die Meisten schon verzagen, dann greift er ein, wunderbar und wider Erwarten. So lange wartet er, um seine eigene Macht zu bewahren, und um die Heimgesuchten zu üben in der geduldigen Beharrlichkeit. Darum bitte ich dich, den Muth nicht zu verlieren; denn nur Eins, Olympias, ist zu fürchten, ist eine ernstliche Anfechtung, und dieses Eine ist die Sünde. Ich bin nie müde geworden, dir ohne Unterlaß diese Wahrheit vorzupredigen. Alle andern Leiden sind Dieß nur in unserer Einbildung: Nachstellungen, Befeindungen, Betrug, Verleumdung, Beschimpfung, Anklagen, Gütereinziehung und Achtserklärung, Verbannung, die Schärfe des Schwertes, Gefahren auf dem Meere, Krieg auf der ganzen Welt. Denn Dieses alles, wie man auch sonst davon denken mag, ist der Zeit und der Vergänglichkeit unterworfen, geht nicht über unser sterbliches Leibesleben hinaus und vermag der besonnenen Seele nicht zu schaden. Daher ist das Glück wie das Unglück dieses Lebens nicht hoch anzuschlagen, wie uns der heilige Paulus lehrt, mit einem Worte Alles zusammenfassend: „Was wir sehen, ist vergänglich.“(II. Kor. 4, 18.) Warum also fürchtest du das Vergängliche, das vorüberfließt gleich den Wellen eines Stromes? Denn solcher Art sind die Schicksale dieses Lebens, im Glück wie im Unglück. Ein anderer gotterleuchteter Mann nennt alle Erdenfreuden zusammengenommen eine Blume des Grases; er vergleicht sie also nicht einmal mit dem Grase, sondern er achtet sie noch geringer — und zwar alle insgesammt. Denn er spricht nicht von einem Bruchtheil derselben, nicht von Reichthum allein oder Sinnenlust oder Macht oder Ehren, sondern er faßt Alles, was unter den Menschen geschätzt wird, mit dem einen Worte „Herrlichkeit“ zusammen, und nun stellt er das Bild von dem Grase daneben: „Alle menschliche Herrlichkeit ist wie eine Blume des Grases.“(Is. 40, 6.)

2. Wenn die Noth am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten.

Aber Leiden sind doch hart und schwer? Sieh, wie diese wieder unter einem andern Bilde dargestellt werden, und lerne auch sie verachten! Beschimpfungen, Beleidigungen, Schmähungen, Verhöhnungen und Nachstellungen von Seiten der Feinde vergleicht der Prophet mit abgetragenen Kleidern und zernagter Wolle: „Habet keine Furcht vor den Schmähungen der Menschen, und laßt euch durch ihre üblen Nachreden nicht anfechten; denn sie werden altern wie ein Kleid und verzehrt werden wie Wolle von den Motten.“(Ebd. 51, 7. 8.) Möge dich daher Nichts von den Dingen, die jetzt vor sich gehen, verwirren. Höre auf, Diesen und Jenen um Beistand anzuflehen; höre auf, Schatten nachzulaufen (denn menschliche Hilfe ist nur ein Schatten) statt dessen flehe anhaltend zu Jesus, den du anbetest, er möge nur durch einen Wink dir willfahren — und in einem Augenblicke wird alles Leid zu Ende sein. Wenn es aber trotz deines Flehens noch nicht zu Ende geht, nun es ist eben Gottes Art (ich komme nämlich auf den früher ausgesprochenen Gedanken zurück), die Leiden nicht schon gleich Anfangs zu ersticken, sondern wenn die Noth sich gemehrt hat und auf’s Höchste gestiegen ist, wenn die Feinde fast alle Bosheit an uns erschöpft haben, dann pflegt er mit einem Male die Ruhe herzustellen und Alles einem ganz unerwarteten Ausgang entgegenzuführen. Er vermag nicht bloß so viel Heil und Segen zu spenden, als wir erwarten und hoffen, sondern weit reichlicher und unendlich herrlicher. Daher sagt auch der heilige Paulus: … „der überschwenglich [gütig mit uns] thun kann, weit über unser Bitten oder Denken.(Ephes. 3, 20.) Konnte er nicht von vornherein verhindern, daß die drei Jünglinge jener Feuerprobe anheimfielen? Aber er wollte es nicht und verschaffte ihnen gerade dadurch den reichsten Gewinn. Zu dem Ende übergab er sie den Händen der Barbaren; daher ließ er die Flammen in dem Feuerofen bis zu einer unglaublichen Höhe emporschlagen und den Zorn des Königs noch mächtiger als diese entbrennen, daher ließ er sie an Händen und Füßen gewaltsam fesseln und in das Feuer werfen; und als alle Zuschauer sie für unrettbar verloren hielten, da erstrahlte plötzlich und ganz unverhofft in hellstem Licht die Wundermacht des allweisen und allmächtigen Gottes. Die Feuersgluth ward gefesselt, die Gefesselten wurden von ihren Banden befreit, der Feuerofen wurde zum Tempel des Gebetes, wurde gleich einer kühlen Quelle und erfrischendem Thau, wurde herrlicher als selbst die Königsburg; und jenes Element, das sonst Alles verzehrt, das Stein und Eisen besiegt und alle andern Stoffe bemeistert, fand selbst an ihren Haaren erfolgreichen Widerstand. Und jene Heiligen stimmten dort einen allumfassenden Chorgesang an und riefen die sichtbare wie die unsichtbare Schöpfung zu ihrem wundersamen Loblied. Sie dankten in Hymnen dem Herrn, daß sie gefesselt (so weit es in der Gewalt der Feinde lag), daß sie aus dem Vaterlande vertrieben, daß sie als Gefangene hinweggeführt, der Freiheit beraubt, daß sie Vaterlandslose, Heimathlose und Fremdlinge geworden waren, daß sie in einem ungastlichen, barbarischen Lande ihr Leben zu verbringen hatten. Das ist die Art eines edlen, dankbaren Herzens. Und als nun die Bosheit der Feinde sich erschöpft hatte, (denn was konnten sie ihnen mehr anthun als den Tod?) nachdem die Kämpfer den Kampf bestanden, als schon der Lorbeerkranz gewunden und der Siegespreis bereit war und also an ihrem Ruhme Nichts mehr fehlte, — da findet die Trübsal ihr Ende; und der die Flammengluthen des Feuerofen entfacht und sie einer solchen Marter überantwortet, — der wird zum staunenden Lobredner jener heiligen Kämpfer, zum Verkündiger der göttlichen Wunderthaten, und in alle Länder seines Weltreiches sendet er Briefe voll des Lobes, erzählend was sich zugetragen hat — ein glaubwürdiger Herold der Wunder des allmächtigen Gottes. Denn weil er Feind und Widersacher war, mußte sein Bericht auch bei den Feinden unverdächtig sein.   

3. Viele Menschen haben zur Zeit des Heilands Anstoß genommen an seiner Person und seiner Lehre.

Siehst du nun, daß beim Herrn die Hilfsmittel unerschöpflich sind? Erkennst du seine Weisheit, seine Wundermacht, seine Menschenliebe und gütige Fürsorge? Laß  dich also nicht aufregen und verwirren, sondern höre nicht auf, ihm für Alles Dank und Lob zu bringen, zu ihm zu rufen, zu bitten und zu flehen. Wenn auch Wirren und Stürme ohne Zahl auf uns eindringen und Das alles dir lebendig vor Augen steht, soll dich doch Nichts von alle Dem beunruhigen. Denn unser Herr wird durch die Schwierigkeiten der Verhältnisse nicht überrascht, wenn auch Alles bis zum äussersten Verderben scheint gekommen zu sein. Er kann auch die Gefallenen aufrichten, die Irrenden zurückführen, die Verführten bekehren, die mit unzähligen Vergehen belasteten Sünder retten und rechtfertigen, die Todten erwecken, das Zerstörte glänzender herstellen und das gebrechliche Alter verjüngen. Denn wer die Dinge, die nicht waren, entstehen macht und denen, die nirgends und in keiner Weise zum Vorschein gekommen waren, das Dasein gibt, Der wird noch weit eher das Gewordene und Seiende wieder zum Bessern wenden. Aber — denkst du vielleicht — Viele nehmen Ärgerniß, Viele gehen zu Grunde! Auch Das ist schon oft und vielfach geschehen; aber später hat immer Alles den rechten Ausgang genommen, ausser daß der Eine oder Andere auch nach dem Umschwung der Dinge unheilbar blieb. Warum zagst du, warum klagst du, daß Dieser vertrieben worden, daß Jener sich gewaltsam hineingedrängt hat [in ein kirchliches Amt]? Christus wurde gekreuzigt, der Räuber Barabbas losgefordert, und das verführte Volk verlangte mit wüthendem Geschrei, daß der Mörder statt des Erlösers und allbarmherzigen Wohlthäters in Freiheit gesetzt würde. Wie Viele mögen sich daran geärgert haben! wie Viele dadurch in’s Verderben gestürzt sein! Doch ich muß weiter ausholen. Ist nicht dieser Gekreuzigte gleich nach seiner Geburt schon ein Vertriebener, ein Flüchtling geworden und im zartesten Alter mit seiner ganzen Familie in ein fremdes, weit entlegenes, barbarisches Land hinübergewandert? Und gerade Dieß wurde die Veranlassung, daß Ströme von Blut vergossen, daß frevelhafter Mord und Todtschlag verübt, daß alle jene Kleinen im frühesten Kindesalter gleichsam in Reih und Glied hingeschlachtet, daß die Kinder sogar von der Mutterbrust hinweggerissen und dem Mordbeil zur Beute gegeben wurden.

Während sie die Milch der Mutter noch im Munde hatten, drang schon durch Kehle und Hals das scharfe Eisen. Was könnte schrecklicher sein als dieses Trauerspiel? Und Das verübte Derjenige, welcher den Heiland zu tödten suchte, und der langmüthige Gott ertrug es, daß dieses grausame Spiel in Szene gesetzt, daß so viel Blut vergossen ward; er ertrug es, obgleich er es verhindern konnte; er wollte nach seiner unergründlichen Weisheit eine so weitgehende Langmuth beweisen. Als er aber aus dem fremden Lande zurückgekehrt und größer geworden war, wurde wieder von allen Seiten der Krieg gegen ihn eröffnet. Zuerst wurden die Jünger des Johannes (obgleich Dieser dem Herrn treu ergeben war) neidisch und mißgünstig: „Der bei dir war jenseits des Jordans,“ sagten sie, „sieh, der hat sich auf’s Taufen verlegt, und Alle laufen ihm nach.“(Joh. 3, 26.) So konnten nur Leute sprechen, die vom Ärger geplagt, vom Neide gequält, von der Leidenschaft angefressen waren. Deßhalb stritt und haderte auch einer der Jünger, die so sprachen, mit einem Juden, indem er die Lehre von den Reinigungen auf’s Tapet brachte und zwischen Taufe und Taufe — zwischen der Taufe des Johannes und der Taufe der Jünger des Herrn — Vergleichungen anstellte. „Es entstand nämlich,“ so heißt es, „zwischen einem der Johannesjünger und einem Juden Streit über die Reinigungen.“(Ebd. 3, 25.) Als Jesus nun aber auch Wunder zu wirken begonnen hatte, wie viele Verleumdungen wurden da erst laut? Einige schalten ihn einen Samariter und Besessenen: „daß du ein Samariter bist und den Teufel hast;“(Ebd. 8, 48.) Andere einen Verführer: „Dieser ist nicht aus Gott, sondern verführt das Volk;“(Ebd. 7, 12.) Andere einen Teufelskünstler: „Er treibt die Teufel aus in Beelzebub, dem Obersten der Teufel;“(Matth. 9, 34; 12, 24.) und diese Vorwürfe wiederholten sie fortwährend, nannten ihn einen Widersacher Gottes, bezichtigten ihn des Fraßes und der Völlerei und der Trunksucht und der Freundschaft mit verkommenen Sündern. „Es kam (sagt er selbst) der Menschensohn; er aß und trank, und sie sagen: Seht, der Mensch ist ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und schlechten Menschen.“(Luk. 7, 34.) Und als er mit der öffentlichen Sünderin sprach, schalten sie ihn einen falschen Propheten: „Wenn er ein Prophet wäre, so würde er wissen, wer dieses Weib ist, das mit ihm redet;“(Ebd. 7, 39.) und so wetzten sie ihre Zähne gegen ihn Tag für Tag. Aber es waren nicht allein die gewöhnlichen Juden, die diesen Krieg gegen ihn führten, nicht einmal Die, welche für seine Brüder galten, waren ihm zugethan, und aus seinem eigenen Familie fand der Kampf gegen ihn seine Nahrung. Daß nämlich selbst Diese verführt waren, erkenne aus der Bemerkung des Evangelisten: „Auch seine Brüder glaubten nicht an ihn.“(Joh. 7, 5.)

4. Ärgernisse beim Leiden und Sterben des Herrn.

Da du aber auf die große Zahl der Geärgerten und Verführten hinweisest — wie viele unter den Jüngern haben zur Zeit des Kreuzes Ärgerniß genommen! Einer hat den Herrn verrathen, die andern sind geflohen, einer hat ihn verleugnet, und während alle das Weite suchten, wurde der Herr allein in Fesseln hinweggeschleppt. Früher hatte man gesehen, wie er Wunder wirkte, wie er Todte erweckte, Aussätzige reinigte, Teufel austrieb, Brode entstehen machte und andere Zeichen seiner göttlichen Macht kund gab; jetzt mußten dieselben Leute sehen, wie er, von Allen verlassen, gebunden fortgeführt ward, während gemeine Soldaten ihn umringten und die jüdischen Priester ihn lärmend und höhnend begleiteten, wie die Feinde alle ihn, den Vereinsamten, in die Mitte nahmen, wie selbst der Verräther dabei war und groß that; — wie Viele werden damals Ärgerniß genommen haben! Und als er gegeißelt ward? Wahrscheinlich war eine sehr große Menschenmenge dabei zugegen. Denn man feierte gerade ein hohes Fest, das alle Juden zusammenführte, und die Stadt, in welcher dieses verbrecherische Trauerspiel — und zwar gerade um Mittag — aufgeführt wurde, war eben die Hauptstadt. Wie Viele also werden damals zugegen gewesen sein und Ärgerniß genommen haben, als sie sahen, wie er gebunden, gegeißelt, ringsum triefend von Blut vor dem Richterstuhl des Landpflegers verhört ward! und als jene vielfachen, ununterbrochenen, anhaltenden Verspottungen gegen ihn in’s Werk gesetzt wurden! Jetzt krönten sie ihn mit Dornen, dann zogen sie ihm einen Kriegsmantel an, dann gaben sie ihm ein Rohr in die Hand, dann fielen sie wie zur Anbetung vor ihm nieder — so übten sie gegen ihn Hohn und Spott jeglicher Art. Wie Viele mögen da geärgert und verwirrt worden sein. Wie Viele mag es irre gemacht haben, als man ihn in’s Angesicht schlug und schrie: „Weissage uns, Christus, wer hat dich geschlagen?“(Matth. 26, 68.) als man ihn hin und her führte und ihm Spott und Hohn und Schimpf und Schmach zufügte den ganzen Tag! und zwar mitten unter dem Judenvolk! als ihn der Knecht des Hohenpriesters auf die Wange schlug, als die Soldaten seine Kleider unter sich theilten, als er gekreuzigt und am Kreuze erhöht wurde, ganz entblößt, während auf seinem Rücken die blutigen Spuren der Geißelstreiche zu sehen waren! Denn auch da zeigten sich jene wilden blutdürstigen Ungeheuer nicht besänftigt, sondern ihre Wuth nahm zu, und das Trauerspiel dauerte fort, und die Lästerungen mehrten sich. Die Einen sagten: „Der ist es, der den Tempel abbricht und in drei Tagen wieder aufbaut!“(Ebd. 17, 40.) Andere schrieen: „Andere bat er vom Tode gerettet, sich selbst retten kann er nicht!“(Ebd. 27, 42.) Noch Andere höhnten: „Wenn du Gottes Sohn bist, steige herab vom Kreuze, und wir wollen an dich glauben.“(Matth. 27, 40. 42.) Und als sie ihm mit dem Schwamme Galle und Essig zum Tranke reichten unter rohem Übermuth! als selbst die Räuber ihn lästerten! als man sich jenes furchtbaren Verbrechens schuldig machte, von dem ich schon vorhin sprach, als man sich erfrechte zu behaupten, jener Räuber, der mit vielen Mordthaten belastet war, habe es eher verdient [als der Herr] freigegeben zu werden, und — nachdem der Richter die Wahl freigestellt hatte, — dem Barabbas den Vorzug gab, indem man Christum nicht allein dem Kreuzestode überliefern, sondern auch in schlechten Ruf bringen wollte! Sie glaubten nämlich hierdurch beweisen zu können, daß er schlimmer sei als der Räuber und so sehr in Schuld verstrickt, daß weder Menschenfreundlichkeit noch die Würde des Festes ihn retten konnte. Denn Alles zielte darauf hin, seinen Ruf zu bemakeln; darum kreuzigten sie auch mit ihm zugleich die beiden Schächer. Die Wahrheit konnte freilich nicht mit Finsterniß bedeckt werden; sie erglänzte vielmehr in hellem Lichte. Sogar des Strebens nach unrechtmäßiger Herrschaft wagten sie ihn zu bezichtigen: „Jeder,“ sagten sie, „der sich selbst zum König macht, ist ein Feind des Kaisers;“(Joh. 19, 12.) so wurde er, der nicht hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, der Tyrannei beschuldigt! Ja selbst Gotteslästerung haben diese Verleumder ihm zum Vorwurf gemacht. Der Hohepriester zerriß ja sein Kleid mit den Worten: „Er hat Gott gelästert! Wozu haben wir noch Zeugen nöthig?“(Matth. 26, 65.) Und nun gar sein Tod — war es nicht der schimpflichste, den man sich denken kann? War es nicht der Tod der Verurtheilten, der Verfluchten, der ärgsten Verbrecher, die nicht werth sind, auf der Erde ihr Leben auszuhauchen? Das Begräbniß aber wurde ihm nur aus Mitleid und Barmherzigkeit gewährt. Es fand sich nämlich Jemand ein, der den Leichnam begehrte — also auch, der ihn begrub; er gehörte nicht zu seinen Angehörigen oder Jüngern, nicht zu Denen, welche er mit seinen Wohlthaten überhäuft oder vom Verderben gerettet hatte; Alle waren verschwunden, Alle entwichen. Jene boshafte und elende Lüge endlich, welche sie über seine Auferstehung in Umlauf gesetzt hatten: „Seine Jünger sind gekommen und haben ihn gestohlen“(Matth. 28, 13.) wie Viele hat sie nicht betrogen! Denn dieses Gerede, obgleich auf Erdichtung beruhend und durch Geld erkauft, fand bei Einigen Glauben, trotz der Zeichen, trotz der großartigen Offenbarung der Wahrheit. Der große Haufen wußte nicht, wie es sich mit der Auferstehung verhielt, da ja die Jünger selbst Nichts davon wußten. „Denn seine Jünger wußten nicht,“ heißt es, „daß er von den Todten auferstehen mußte.“(Joh. 20, 9.) Wie Viele, glaubst du nun, haben in jenen Tagen Ärgerniß genommen! Und doch ertrug es der langmüthige Gott, der Alles ordnet nach seiner unerforschlichen Weisheit.

5. Die Apostel hatten mit vielen Hindernissen und Ärgernissen zu kämpfen.

Und dann nach diesen Tagen! Die Jünger wieder versteckt und verborgen, verjagt, furchtsam und zitternd ihren Aufenthalt stets wechselnd, kamen nicht zum Vorschein; und selbst als sie nach fünfzig Tagen an’s Tageslicht kamen und anfingen Wunder zu wirken, konnten sie nicht ohne Furcht sein. Aber auch später entstanden tausend Ärgernisse unter den Schwächern, als die Apostel mit Geißeln gestrichen, die Kirche in Verwirrung gebracht, sie selbst vertrieben wurden, ihre Feinde dagegen an vielen Orten die Oberhand gewannen und Unordnung anrichteten. Denn kaum waren sie in Folge ihrer Wunder recht muthig geworden, als schon wieder durch den Tod des Stephanus eine schwere Verfolgung veranlaßt und eine allgemeine Zerstreuung der Gläubigen nothwendig wurde; schon wieder war die Kirche in Verwirrung, die Apostel in Furcht, auf flüchtigem Fuß, in großer Angst. Aber bei alle Dem nahm die Kirche zu — es war ja die Zeit, wo sie in den Wundern ihre Blüthen trieb, wo sie im Glanz der Jugend strahlte. Einer entwich durch’s Fenster und entzog sich so den Händen der Obrigkeit; Andere wurden durch einen Engel in Freiheit gesetzt und der Fesseln entledigt. Andere, von den Machthabern vertrieben, wurden von Krämern und Handwerkern aufgenommen und in jeder Weise versorgt und verpflegt, wie auch von Purpurhändlerinen, Zeltmachern, Gerbern, die am äussersten Ende der Städte, an der Küste und am Meere wohnten. Oft wagten sie auch nicht einmal, sich mitten in den Städten zu zeigen; oder wenn sie es wagten, war es doch für ihre Gastgeber zu gefährlich. So ward das große Werk zu Stande gebracht unter lauter Prüfungen, nicht in Ruhe und mit Bequemlichkeit; und die früher Ärgerniß genommen hatten, wurden wieder bekehrt, und die auf Irrwege gekommen waren, kehrten wieder zurück, und was zerstört war, wurde wieder großartig aufgebaut. Daher hat auch der allweise und an Hilfsmitteln unendlich reiche Gott die Bitte des Apostels Paulus, daß die Verkündigung des göttlichen Wortes nur in Ruhe und Frieden vorangehen möchte, nicht erhört, selbst nicht auf sein wiederholtes Flehen, sondern seine Antwort lautete: „Meine Gnade genügt dir; denn meine Kraft findet in der Schwäche ihre Vollendung.“(II. Kor. 12, 9.)

Quelle: Bibliothek der Kirchenväter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm

 

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