(aus dem Siebenzehnten Brief des heiligen Johannes Chrysostomus)
Meiner Herrin, der ehrwürdigen und frommen Diakonissin Olympias, Gruß im Herrn von Johannes.
Was du an dir erfahren hast, Das ist nicht ungewöhnlich und ist ganz in der Ordnung. Es ist in der That ganz natürlich und ganz folgerichtig, daß die fortwährenden und unausgesetzten Anfechtungen die Nerven deiner Seele gestärkt, daß sie dir größern Muth und größere Kraft zu neuen Kämpfen verliehen und große Freude bereitet haben. Denn Das hat die Trübsal an sich, wenn sie eine muthvolle und jugendlich kräftige Seele trifft, Das pflegt sie alsdann zu bewirken. Und wie das Feuer, wenn man es mit dem Golde zusammenbringt, dessen Werth erhöht, so pflegen auch die Leiden, wenn sie goldene Seelen heimsuchen, sie zu reinigen und zu veredeln. Daher auch der Ausspruch des heiligen Paulus: „Die Trübsal bewirkt Ausdauer, die Ausdauer aber Bewährung.“(Röm. 5, 4.) Das ist es, deßhalb auch ich über diese deine mannhafte Tugend mich freue und frohlocke und in meiner Einsamkeit den größten Trost darin finde. Deßhalb mögen immerhin tausend Wölfe dich umzingeln und viele Haufen bösgesinnter Menschen — ich fürchte Nichts, sondern ich bete allerdings, daß gegenwärtigen Anfechtungen und Versuchungen ein Ende nehmen und keine neuen mehr folgen mögen; so bete ich nach der Vorschrift des Herrn, der uns zu beten befiehlt, damit wir nicht in Versuchung fallen; wenn sie nun aber wieder von ihm zugelassen werden, dann bin ich wegen deiner goldenen Seele, die sich auch aus diesen Leiden sehr große Reichthümer zu erwerben versteht, ganz unbesorgt und voller Muth. Denn womit werden sie dich schrecken können, sie, die doch alle Angriffe schließlich nur gegen sich selbst unternehmen? Durch Geldstrafen? Aber ich weiß ganz bestimmt, daß du Geld für Staub erachtest und geringer als Koth. Oder vielleicht durch Vertreibung aus dem Hause und dem Vaterlande? Aber du verstehst es, in den großen und volkreichen Städten gerade so zu wohnen wie in einsamer Wüste, indem du die ganze Zeit in ruhiger Muße verbringst und die Scheindinge dieses Lebens unter die Füße trittst. Vielleicht drohen sie gar mit dem Tode? Aber du hast dich auch dafür vorgesehen und dich im Sterben stets geübt; und wenn sie dich zur Schlachtbank führen, führen sie einen Leib dahin, der schon gestorben ist. Wozu noch Vieles aufzählen? Niemand kann dir irgend Etwas der Art zufügen, ohne zu entdecken, daß du gerade darin schone seit langer Zeit geduldige Standhaftigkeit mehr als hinlänglich geübt hast. Denn indem du immer den engen und schmalen Weg gegangen, hast du dich in alle Dem geübt. Darum hast du dich, nachdem du dir diese herrliche Kunst in der Schule der Vorbereitung und Übung angeeignet, jetzt im Kampfe glänzender bewährt, indem du trotz Allem, was dir vorkommt, nicht bloß ungeschreckt und unverzagt bleibst, sondern gar freudig bewegt, gleichsam beflügelt aufhüpfest und den Reigen führst. Denn was du vordem durch Übung gelernt, Das bringst du jetzt kämpfend zur Anwendung und zwar mit großer Leichtigkeit; obgleich mit eines Weibes Leib behaftet, der zudem schwächer ist als ein Spinnenleib, spottest du siegreich der rasenden Wuth kräftiger, zähneknirschender Männer und bist bereit, mehr zu leiden, als sie dir zufügten. Glücklich und dreimal glücklich bist du ob der Siegeskronen, die deiner dafür warten, ja auch schon ob der Kämpfe selbst. Denn Das haben diese Kämpfe an sich, auch vor den Siegespreisen, schon auf dem Kampfplatz verschaffen sie uns Entschädigung und Belohnung: die Freude, die dir jetzt daraus erwächst, den guten Muth, die Ausdauer, die Tapferkeit und Standhaftigkeit, daß du ferner nicht aufzureiben und nicht zu überwinden, daß du über Alles erhaben und durch Übung bis zu dem Punkte vorgeschritten bist, wo man unmöglich noch durch Jemand etwas Schlimmes erleiden kann, daß du inmitten so hoch gehender Fluthen wie auf dem Felsen stehst, daß du endlich bei stürmischer See es fertig bringst, gerade wie mit günstigem Wind und bei ruhig heiterm Wetter zu fahren. Das ist Lohn für die Trübsal schon hier auf Erden und vor dem Himmelreiche. Denn ich weiß, ja ich weiß, daß du jetzt, vor Freude auffliegend, dich kaum noch mit dem Leibe bekleidet glaubst, und daß du, wenn die Stunde ruft, den Leib mit leichterm Sinn ablegst, als Andere die Kleider, die sie tragen. Freue dich also und sei frohen Muthes, sowohl über dich selbst als über Die, welche den seligen Tod gestorben sind, nicht im Bett und nicht zu Hause, nein im Kerker, in Banden, in folternden Peinen. Beklage und beweine nur Die, welche Solches verüben denn so ziemt es sich für deine christliche Lebensweisheit.
Quelle: Bibliothek der Kirchenväter http://www.unifr.ch/bkv/index.htm