Dieses Wort passt sich aber der Zeit, der Person und dem Ort an und richtet sich nach ihnen. Falls handelt es sich um das Reden beim Gastmahl, dann der Apostel fährt wieder fort: „indem ihr euch in jeglicher Weisheit gegenseitig belehrt und ermahnt mit Psalmen, Lobgesängen und geistlichen Liedern in Dankbarkeit und Gott in eurem Herzen singt; und alles, was ihr in Worten oder Werken tun mögt, das tut alles im Namen des Herrn Jesus, indem ihr seinem Gott und Vater Dank saget!“ (Ebd. 3, 16 f.) Darum rief Der Geist der Menschheit zu: „Alles, was Odem hat, soll den Herrn loben!“ (Ps. 150, 6.), weil Er sich um alles Atmende, das Er schuf, kümmert.
Wir verwenden ein einziges Instrument, allein das friedenbringende Wort, mit dem wir Gott preisen, nicht mehr wie ehedem die Harfe und die Posaune und die Pauke und die Flöte (Ps. 150, 4 f.), die jene im Kriege geübten und die Furcht Gottes verachtenden Männer bei ihren Festversammlungen zu verwenden pflegten, auf daß ihr gesunkener Mut durch solcherlei Rhythmen wieder gehoben werde.
Denn ein Friedensinstrument ist in Wahrheit der Mensch; die anderen Instrumente aber wird man, wenn man sich mit ihnen beschäftigt, als kriegerisch erproben, da sie entweder die Begierden entflammen oder die Liebesleidenschaften entfachen oder den Zorn auflodern lassen.
Wir müssen auch nur die sittsamen von den Harmonien zulassen und von unserer kraftvollen Gesinnung die wahrhaft weichlichen Harmonien so weit als möglich wegjagen.
Preislieder auf Gott sollen die Gesänge sein. „Sie sollen seinen Namen preisen“, so heißt es, „im Reigentanz; mit Pauke und Harfe sollen sie ihm lobsingen.“ Und wer der singende Reigen ist, das wird dir der Geist selbst verkünden: „Sein Lobpreis ist in der Gemeinde der Heiligen; sie sollen frohlocken über ihren König.“ Und wieder fügt er hinzu; „Denn der Herr hat Wohlgefallen an seinem Volk.“ (Ps 149 3. 1; 2. 4.)
Ruhig soll auch der Blick sein und gesetzt die Drehung und Bewegung des Halses und die Bewegung der Hände bei der Unterhaltung. Denn überhaupt liebt der Christ Gelassenheit und Ruhe und Stille und Frieden. Denn unser Ziel ist die Gemütsruhe.
„Bevor du gehört hast, antworte kein Wort!“ (Sir. 11, 8.)
Denn unanständiges Reden ist eine Vorbereitung auf unsittliches Handeln, und Sittsamkeit in der Rede ist eine Übung für den Kampf gegen die Unzucht.
Doch muß man auch das alberne Geschwätz zum Schweigen bringen. „Denn wenn du viel redest“, so heißt es, „wirst du der Verfehlung nicht entfliehen.“ (Sprichw. 10, 19.) Also wird die Geschwätzigkeit Strafe erleiden. „Denn mancher, der schweigt, wird als weise erfunden, und mancher wird verhaßt wegen seines vielen Geschwätzes.“ (Sir. 20, 5.) Ja auch sich selbst wird der Schwätzer schließlich zum Ekel. „Wer viele Reden macht, bekommt Abscheu vor seiner eigenen Seele.“ (Ebd. 20, 8.)
Bei den Sittsamen soweit sie überhaupt reden dürfen, ist richtig ein Maß für die Stimme festzusetzen, nämlich die Rücksicht auf den, mit dem sie sprechen. Denn Schweigen ist eine Tugend für die Frauen und eine Auszeichnung für die Jünglinge, die nie Gefahr bringt; eine gute Rede aber geziemt sich für das bewährte Alter.
„Sprich, du Alter, beim Gastmahl; denn für dich geziemt es sich; aber sprich ungehemmt und mit genauer Kenntnis! Du Jüngling“, auch dir gestattet es die Weisheit, „sprich, wenn du es nötig hast; auch dann kaum, wenn du zweimal gefragt worden bist, und fasse deine Gedanken in wenigen Worten zusammen!“ (Sir.35(32), 3. 7 f.)
Die beiden aber, die miteinander reden, sollen ihre Stimme nach dem richtigen Mittelmaß bemessen; denn das laute Schreien beim Sprechen ist ein Wahnsinn; und wenn man so leise spricht, daß es die Nächsten nicht verstehen können, so ist das sinnlos; denn sie werden es nicht hören. Und das eine ist ein Zeichen von Unmännlichkeit, das andere von Rücksichtslosigkeit. Fern bleibe aber auch die Streitsucht bei der Unterhaltung um des eitlen Sieges willen!
Aber auch die kraftlose Stimme ist das Zeichen eines weibischen Menschen, dagegen das richtige Maß in der Stärke der Stimme eines sittsamen, der seine Sprache von übertriebener Stärke und Länge und Schnelligkeit und Wortfülle frei hält. Denn man soll nie lange Reden halten und soll nicht viele Worte machen und soll nicht schwätzen; man soll aber auch nicht übermäßig rasch und überstürzt, wie wenn man gehetzt würde, sprechen.
Schweigen ist aber besser als zu widersprechen und so zur Unwissenheit noch die Verfehlung hinzuzufügen. Denn auch auf die Sprache selbst muß man, wenn man so sagen darf, den Grundsatz der Gerechtigkeit anwenden.
Denn da alle Reden ihren Ausgangspunkt im Denken und in der Sinnesart haben, so ist es nicht möglich, irgendwelche lächerlichen Reden von sich zu geben, die nicht von einer lächerlichen Sinnesart ausgingen. Denn das Wort „es gibt keinen guten Baum, der schlechte Früchte bringt, und keinen schlechten Baum, der gute Früchte bringt“ (Luk. 6, 43; Matth. 7, 18.), paßt wohl auch hier; Frucht der Gesinnung ist die Rede.
Und wenn wir unser Gesicht wohl nie freiwillig ins Lächerliche verkehren würden, wie könnten wir es wohl erstreben, in unseren Reden lächerlich zu sein und zu scheinen, indem wir das Wertvollste von allem, was Menschen besitzen, die Rede, zum Gespötte machen?
Man darf zwar Scherze machen, aber nicht Possen reißen.
Aber auch dem Lachen selbst muß man Zügel anlegen. Denn auch das Lachen selbst zeigt, wenn es sich in der richtigen Weise äußert, feinen Anstand; wenn es aber nicht so vor sich geht, ist es ein Beweis von Zuchtlosigkeit. Denn überhaupt darf man den Menschen von allem, was ihnen von der Natur gegeben ist, nichts mit Gewalt nehmen, vielmehr muß man für alles nur das richtige Maß und die richtige Zeit bestimmen. Denn man darf nicht deswegen, weil der Mensch ein Lebewesen ist, zu dessen wesentlichen Merkmalen das Lachen gehört, immerfort lachen, da ja auch das Pferd, dessen Kennzeichen das Wiehern ist, nicht immerfort wiehert.
Als vernünftige Wesen müssen wir aber selbst das richtige Maß für uns finden, indem wir das Herbe und Übertriebene unseres Ernstes in maßvoller Weise mildern, nicht in maßloser Weise aufgeben.
Wenn man die Spannung des Gesichts wie die eines Instruments zu harmonischer Wirkung ein wenig nachläßt, so heißt das Lächeln (μειδίαμα), und so breitet sich Erheiterung über das Gesicht aus; dies ist das Lachen der Verständigen; wenn man aber die Haltung des Gesichts in maßloser Weise völlig auflöst, so heißt dies, wenn es bei Frauen geschieht, Gekicher (κιχλισμός), und dies ist das Lachen der Dirnen; bei Männern aber Gelächter (καγχασμός) und dies ist das Lachen wie bei den zuchtlosen Freiern und ein Zeichen frechen Übermuts.
„Der Tor läßt beim Lachen seine Stimme laut erschallen“, sagt die Schrift, „ein kluger Mann wird aber kaum leise lächeln.“( Sir. 21, 20.) Mit dem klugen (πανοῦργος) Mann meint sie hier einen verständigen, dessen Art der des Toren entgegengesetzt ist.
Andererseits aber soll man nicht finster, sondern nur ernst sein. Es gefällt deshalb jener sehr gut, der sich zeigte „Lächelnd mit furchtbarem Antlitz.“ Denn „weniger lächerlich wird wohl sein Lachen sein“.
Aber auch das Lächeln muß in Zucht gehalten werden; und wenn es sich um unanständige Dinge handelt, so müssen wir uns lieber errötend als lächelnd zeigen, damit wir nicht den Schein erwecken, daß wir die gleiche Gesinnung haben und uns deshalb auch daran freuen; wenn es sich aber um traurige Dinge handelt, so ziemt es sich mehr, daß wir niedergeschlagen aussehen, als daß wir uns darüber zu freuen scheinen; denn das eine ist ein Zeichen von menschlichem Empfinden, das andere läßt die Vermutung von Rohheit aufkommen.
Man darf aber weder immer lachen (denn das ginge über das rechte Maß hinaus), noch in Gegenwart von älteren Leuten oder sonst welchen, die Rücksicht verdienen, es müßte denn sein, daß sie etwa selbst einen Scherz machen, um uns aufzuheitern; man darf aber auch nicht jedem Beliebigen gegenüber lachen und nicht an jedem Orte und nicht allen zuliebe und nicht über alles. Vor allem aber birgt das Lachen für junge Leute und Frauen die Gefahr übler Nachrede in sich.
„Selig“ in der Tat „ist ein Mann, der mit seinem Munde keinen Fehltritt tat und nicht von Trauer über eine Sünde betroffen wurde“ (Sir. 14, 1.), sei es, daß er bereute, was er durch sein Reden verfehlt hatte, sei es, daß er niemand durch sein Reden kränkte.
Fragmente aus „Paidagogos“, Clemens von Alexandrien († vor 215/16)
Quelle: Bliothek der Kirchenväter -